Vom Genoimfoh'n
Der Almabtrieb ist mittlerweile überall ein buntes Fest.
Für den Bauern Alois Bichler aus Hopfgarten und den Senner Sepp Schroll sind Auftrieb und Almsommer aber die größeren Herausforderungen.
Ein fescher junger Kerl ist er, der Alois Bichler vom Högerhof in Hopfgarten, die blonden kurzen Haare zerzaust, das Lächeln sympathisch. Mit seinen 25 Lenzen ist er schon Bauer daheim und trägt große Verantwortung. Franz Bichler, Alois’ Vater, starb vor einigen Jahren ganz überraschend mit 61 Jahren. Dass Alois als dritter von 4 Söhnen der Familie den Hof einmal übernehmen würde, war vorher schon klar gewesen. Aber dass es so schnell und unter diesen traurigen Umständen gehen würde, das hatte niemand geahnt. „Des wår a riesen Schicksalsschlåg“, meint Alois. Das Geschehene hat die Familie noch mehr zusammengeschweißt. Alois führt den Hof nun in der 5. Generation. Mutter Marianne kümmert sich um die Gäste, die in den Zimmern und Ferienwohnungen untergebracht sind.
Då is da Bauer nervöser als die Kiah
Mit dem Hänger auf die Alm
„Jetz kimb da Chef“, sagt Alois, als ein groß gewachsener Mann die Stube betritt. Es ist Sepp, der Senner. „Servus, Boss“, begrüßt er den Jungbauern. Aha. Bei den beiden ist also jeder der Chef. Der Umgang miteinander ist herzlich.
Alois hat derzeit 38 Stück Vieh, davon 21 Kühe und der Rest sind Jungtiere. 20 Hühner legen am Hof brav ihre Eier, und ein paar Katzen streichen auch herum. Alois ist reiner Milchbauer. Leben kann er davon nicht. Deshalb war er im Winter bei einem Freund auf einer Alm im Schigebiet beschäftigt. Gelernt hat er Zimmerer. „Aber des is mir zuviel wordn“, gibt er zu.
Alois gehört die Rosskaralm auf 1150 m in der Windau. Dort verbringen seine und Sepps Kühe den Sommer. Auf einer weiteren Alm stehen an die 30 Kalbinnen. Beim Almabtrieb schmücken Alois und Sepp ihre Tiere und ziehen mit ihnen durch Westendorf.
Aber spannender ist für die Bauern eigentlich das Genoimfåhn, also der Almauftrieb.
„Då is da Bauer nervöser als die Kiah“, lacht Alois. Früher war das richtig spektakulär, erzählt Alois Mutter Marianne. Da mussten die Kühe den Weg auf die Alm noch zu Fuß antreten und verliefen sich in den Gärten und sogar auf die Bahngleise. Heute ist es keine Hexerei mehr – ein Freund von Alois kommt mit dem Hänger. Die eigentliche Arbeit beim Genoimfåh‘n hat Sepp. Schon drei Wochen, bevor die Kühe kommen, muss er auf der Alm alles vorbereiten: in der Almhütte und im Stall alle Vorkehrungen für einen langen Almsommer treffen, zäunen, dafür sorgen, dass Wasser da ist und vieles mehr. Damit ist er viele Tage lang beschäftigt. Er tut seine Arbeit in freudiger Erwartung.
Sind die Rinder dann eingetroffen, herrscht zuerst einmal ein paar Tage lang „a mords Aufregung“, wie es Sepp ausdrückt. Mensch und Tier müssen sich erst an den neuen Rhythmus auf der Alm gewöhnen.
Die Kühe sind nachtaktiv
Auf der Alm stehen die Kühe tagsüber im Stall und sind nur nachts draußen. Das schützt sie vor der Hitze und zuviel Sonne. Wenn Sepp um 5 Uhr morgens aufsteht, dann „wartn de Mädels schon vor da Hittn auf mi.“ Sie wollen „nett begrüßt“, gefüttert und gemolken werden. Jeden zweiten Tag kommt der Milchwagen und holt an die 1.600 Liter Milch ab. Beste Almmilch. Sind die Kühe versorgt, schaut Sepp nach dem Jungvieh. Je nachdem wo es gerade steht, ist er bis zu einer Stunde zu Fuß unterwegs, um zu ihm zu gelangen. Manchmal kann er sie auch mit dem Auto erreichen. Er zählt durch und schaut, ob alle Kalbinnen gesund und munter sind.
Bodenkultur gehört auch zu seinen Arbeiten. Auf der Alm wuchert nämlich Farn, den die Kühe nicht fressen. Farn mähen, zusammen rechnen und verbrennen ist eine „Sisyphus-Arbeit“.
Sepp Schroll ist Biobauer in Westendorf, ihm gehört der Schwendt-Hof, ein Bergbauernhof, der auch Kinder der Alpenschule aufnimmt. Diesen Bereich betreut Sepps Frau Monika.
Auf der Alm ist er für gewöhnlich nicht allein. Soweit möglich, leisten ihm Monika und seine kleine Tochter Sophia Gesellschaft. Sohn Stefan hat jetzt eine Lehre begonnen und kann nicht mehr mit. Auch die Größte, Anna-Maria, war früher gerne mit dabei. Jetzt geht es sich auch bei ihr aus beruflichen Gründen nicht mehr aus. „Mei Familie is total fanatisch,“ lacht Sepp. Fanatische Almbewohner sind sie allesamt.
Nicht immer läuft auf der Alm alles harmonisch und nach Plan. Einmal stürzte eine Kuh in den Graben. Sie blieb unverletzt, musste aber mit dem Hubschrauber geborgen werden. Die Kosten dafür muss der Bauer selbst tragen. Den Tierarzt braucht man immer wieder einmal. Zum Beispiel, wenn eine Kuh zu früh ihr Kälbchen bekommt. Aber normalerweise kalben die „Mädels“ erst ab Oktober.
Sepp genießt den Sommer auf der Alm in vollen Zügen. „Wennst in da Friah oben bist, und die Sunn scheint eini in die Hittn und in den Stoi, då geht da scho’s Herz auf,“ schildert auch Alois. Während Sepp die Alm „managt“, verdingt sich Alois mit Zimmerer-Arbeiten. Da er auch den Kran-Führerschein hat, ist er ein gefragter Mann am Bau. So hantelt sich Alois durchs Jahr. Mit Jobs, die ständig wechseln, damit sich alles mit der Bauernarbeit nebenbei noch ausgeht. Das ganze Jahr über in einem Büro zu sitzen, das wäre ohnehin nichts für ihn.
So vergeht der Sommer auf der Alm mit viel Arbeit und mindestens genauso viel Freude. Irgendwann wird das Gras auf der Alm weniger, es wird Zeit, an den Abschied zu denken. Jetzt heißt es, den Almabtrieb vorzubereiten. Für das Schmücken der Kühe sind immer noch die Frauen zuständig, in diesem Fall Alois Mutter. „Då brauch i dånn a an Hauf‘n Freundinnen, die mir då helfen.“ Es müssen die bunten Bänder vorbereitet werden, die Rosen aus Krepppapier gefertigt. Außerdem braucht man spezielle „Boschen“ aus Fichte und Tanne, an denen der Schmuck befestigt wird. Sie zu suchen und zusammen zu tragen ist Alois Aufgabe, die ihn ein paar Tage kostet.
Abschied von der Alm
Am Tag des Almabtriebs selbst geht es um 5 Uhr morgens los. Die Kühe sind dann genauso aufgeregt wie der Bauer und der Senner. Wenn sie die großen Glocken umgeschnallt bekommen, wissen sie genau, was bevor steht. Den Nachhauseweg bestreiten sie zu Fuß. Geschmückt wird beim Sportplatz in Westendorf, dann ziehen sie „aufbischt“ durchs Dorf. Gute eineinhalb Stunden brauchen sie dann, bis sie zuhause in Hopfgarten eintreffen. Der offizielle Almabtrieb in Hopfgarten findet erst eine Woche später statt. So feiert Alois mit der Familie und ein paar Nachbarn im kleinen Rahmen, wenn die prächtig geschmückten Tiere heim fahren.
Dann nimmt das Jahr wieder seinen Lauf. Sepp macht die Alm winterfest und alle, auch die Kühe und vor allem die kleine Sophia, warten auf den nächsten Sommer.
Ich liebe es, für meine Geschichten den Menschen ins Herz zu schauen! Mehr Details