KAT Walk an einem Tag

Wir, Markus "Meex" Reich und Michael Geisler sind Ultra-Läufer. Wir laufen Distanzen länger als ein Marathon. 50 km, 100 km, 100 Meilen. Und das am liebsten über die Berge. Wir haben für Wettkämpfe bereits ganz Europa bereist. Gemeinsam waren wir in Chamonix beim UTMB (Ultra Trail de Mount Blanc), in Kroatien liefen wir quer über die Istrische Halbinsel. Meex hat den Karwendelmarsch gewonnen und ich das Innsbruck Alpine Trailrunning Festival.

Start um 5.00 Uhr in Hopfgarten© Geisler Michael

Die Herausforderung wartet direkt vor der Haustüre

Meex kommt aus St. Ulrich am Pillersee und ich aus Westendorf im Brixental. „Die 106 km und 6.000 Höhenmeter des KAT Walks direkt vor unserer Haustür haben uns schon lange gereizt." Die Windau ist mein Trainingsrevier, hier hole ich mir die Kraft über die Berge zu laufen. Meex Hausberge sind die Loferer Steinberge bzw. nutzt er seine Mittagspause um in St. Johann in Tirol auf den Harschbichl zu laufen.

So entsteht der Plan, den 106 km KAT Walk in den Kitzbühler Alpen in einem durch zu laufen. „Am besten einfach versuchen, nicht lange darüber nachdenken“, ist Meex Ansatz. Das Ziel ist es den KAT Walk an einem Tag zu laufen. Normalerweise brauchen Wanderer 5-6 Tage für diesen Weitwanderweg.

2 Ultraläufer am Weitwanderweg

Wir zwei treffen uns an einem vernebelten Morgen um 5 Uhr früh beim KAT Walk Stein bei der Salvena in Hopfgarten. Der Tag erwacht gerade langsam und der Nebel hängt immer noch tief in den Tälern. „Bestes Laufwetter! Etwas wolkig, aber kein Regen! Das wird ein lässiger Tag“ analysiere ich auf den ersten Kilometern in Richtung Penningdörfl. Auf dem Weg zur Haagalm blinzelt das Morgenrot zwischen dem Nebel hervor. Aber die Sonne kann sich noch nicht entscheiden. Den Lodron erreichen wir zwei im Nebel. Hier kommt uns unsere Ortskenntnis zu gute.

Downhill zum Steinberghaus
© Geisler Michael
Meex am Downhill vom Lodron
© Geisler Michael
Nebel erwartet uns am Lodron
© Geisler Michael

Widrige Bedingungen am Trail

Durch den Regen der letzten Tage ist der Downhill in die Windau aufgeweicht. Die Trails werden zu kleinen Bächen und die leichten Trailrunningschuhe sinken bis zu den Knöcheln ein. Der Trail durch den Wald zum Steinberghaus ist ein Traum für jeden Trailläufer, aber heute heißt es Vorsicht walten lassen! Es ist rutschig und es liegen erst 30 km hinter uns. Das Frühstück findet für uns zwei am Brunnen vor dem Steinberghaus statt, es gibt nur ein Gel und einen Banane, dann kommt der nächste Berg hinauf zur Hinterkarscharte. Auf der Labalm begegnen uns die ersten Wanderer. Davor waren nur Rehe, Eichhörnchen und eine Gams die Begleiter. Und natürlich die Kühe auf der Alm. Bei Stromstößen am Weidezaun steht es derzeit 1:1 für Meex und mich. Nur bei den Ausrutschern auf der nassen Wiese liegt Meex bereits mit 2:1 vorn. „Die Tiere, die Beobachtungen und Berge bringen die Abwechslung in so einen Ultralauf. Es wäre ja sonst langweilig nur immer entlang einer Straße zu laufen."

Vorbei am Steinberghaus© Geisler Michael
Kitzbüheler Alpen Hero Bike Patrick Ager Mountainbiker aus Leidenschaft c Daniel Gollner

In Aschau warten unsere Betreuer auf uns. Nach 50 km gibt’s trockene Schuhe, die Laufrucksäcke werden mit Bananen, Riegeln, Gels und Kohlehydrat Drinks aufgefüllt. Es ist 11.30 Uhr. Wir sind 6,5 Stunden unterwegs und fühlen uns prächtig, aber wir wissen um die alte Ultralauf Weisheit: „Auf der zweiten Hälfte werden die Karten neu gemischt!“.

Stärkung und eine kurze Erholungspause

Inzwischen ist es sonnig und wir verabschieden uns von unseren Betreuern. Wir biegen zum Anstieg auf den Pengelstein ab. Der Schweiß tropft nun immer schneller von der Stirn, die Augen brennen vom Gemisch aus Sonnencreme und Schweiß, es ist warm und „bratig“ durch die hohe Luftfeuchtigkeit. „Als Läufer merkt man das alles nicht. Man setzt einen Fuß vor den anderen und probiert sich durch positive Dinge, wie die Landschaft, ablenken zu lassen.“, verrate ich meine Tricks um auch noch nach zig Stunden auf den nächsten Berg zu kommen. Am Pengelstein dann der Unterschied zu den einsamen Trails in der Kelchsau, Windau und Aschau. Wir umkurven wie bei einem Slalom die Ausflügler auf der Ehrenbachhöhe und biegen in einer rasanten Linkskurve auf die Streif Abfahrt hinunter. Wir ernten verwunderte Gesichter der Wanderer als wir auf der Streif an ihnen vorbeilaufen. Hier hat man einen wunderschönen Ausblick auf das Kitzbüheler Horn. Schön langsam machen sich die Strapazen des Tages bemerkbar. Der Laufstil ist nicht mehr rund und federnd, sondern eckig. Die Oberschenkel tun schon weh von 9 Stunden laufen. Und das Kitzbüheler Horn ist noch weit entfernt. „Wenn man in so einem Tief ist dann hilft es sich mit kleinen Zielen zu motivieren“ verrät Meex. Beim Aufstieg aufs Kitzbüheler Horn sieht man im Wald die Gesamtheit des Berges nicht. Man sieht nur bis zur nächsten Kurve. Mit Gesprächen lenkt man sich ab und bevor man es sich versieht, ist man bereits beim Alpenhaus am Kitzbüheler Horn. Inzwischen hat sich auch die Sonne wieder hinter dicken Gewitterwolken versteckt. Es fängt an zu regnen, sogar Graupel ist dabei. Unsere Motivation ist im Keller. 80 km sind wir bereits gelaufen, und es wartet ein schwerer Abstieg vom Kitzbüheler Horn nach St. Johann in Tirol. Die Steige sind steil und rutschig. Immer wieder fangen wir an zu rutschen. Ab der Mittelstation ist das Gröbste vorbei und wir kommen nach St. Johann in Tirol. Hier warten die Supporter wieder. Meex und ich sehen jetzt schon abgekämpft aus. Wenigstens 10 min Pause am Auto. Meex isst eine kräftigende Suppe, aber ich habe Probleme mit dem Magen. Ganz langsam kann ich noch leichte Flüssignahrung zu mir nehmen.

Aufstieg zum Pengelstein
© Geisler Michael
Meex auf der Streif Abfahrt
© Geisler Michael
Meex und Michael auf der Ehrenbachhöhe
© Geisler Michael

Es warten die letzten 20 km auf uns. Mit motivierenden Worten werden wir auf die letzte Etappe des KAT Walk geschickt. Es ist das Revier von Meex. Er kennt hier alle Wege und verkürzt die Zeit mit seinen Geschichten. Am Kalkstein gibt es einen wunderschönen Regenbogen über St. Ulrich. Auch das Jakobskreuz ist bereits zu sehen. Ich leide. Ich kann seit Stunden nichts mehr essen. Woher soll mein Körper noch Energie herausholen? Die Almwege ziehen sich. Endlich geht es auf das letzte Bergabstück. 600 Höhenmeter hinunter nach St. Ulrich. Es werden die letzten Reserven aktiviert. Meex und ich laufen im Sonnenuntergang in St. Ulrich ein. Meex´s Kinder laufen die letzten Meter mit und voller Glücksgefühle kommen wir zum KAT Walk Stein im Dorfzentrum. Für die 106 km und 6.000 Höhenmeter des KAT Walks haben wir 15 Stunden 46 Minuten gebraucht. Müde von einem langen Tag, aber mit glücklichen Gesichtern feiern wir mit den Betreuern und Partnern am KAT Walk Stein. Gemeinsam reflektieren wir den ereignisreichen Tag und erzählen Geschichten über nasse Almwiesen, Elektrozäune und Gewitter. Es ist viel passiert in den letzten 15 Stunden. Sehr konzentrierte und intensive Erlebnisse. Normalerweise wird der KAT Walk in 5-6 Tagen erwandert. Wir liefen diesen an einem Tag und brauchen einige Tage für die wohlverdiente Regeneration.

kurze Pause in St. Johann
© Geisler Michael
Michael mit Motivationsproblemen am Kalkstein
© Geisler Michael
Michael vor dem Kitzbühler Horn
© Geisler Michael
Michael

Michael

Ich bin ein begeisterter Trail-Läufer aus Westendorf im Brixental. Nach über 15 Jahren Pause, habe ich 2012 wieder mit Laufen begonnen und meine Leidenschaft wieder neu entdeckt.

Weitere Geschichten über mich findest du unter www.runningmichael.com.
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