Feinkostladen Tirol

Von der armen Bauernküche zu einem neuen regionalen Bewusstsein.

"Gröstl mit Ei, Germkiachl, Blattl mit Kraut, Kasspatzln, ... die Palette der Tiroler Köstlichkeiten ist groß und vielfältig." Was in Werbemagazinen so wunderbar klingt, stammt in Wahrheit aus einer ärmlichen Bauernküche. Tirol war in erster Linie eins: Nämlich Bauernland. Schwierige klimatische Bedingungen und geografische Besonderheiten gepaart mit harter Arbeit kennzeichneten auch die Tiroler Küche. Von einem Feinkostladen und einer kulinarischen Vielfalt konnte keines Wegs die Rede sein. Die Gerichte waren deftig und kalorienhaltig – Butter, Schmalz, Milchprodukte, ab und zu Fleisch, meist in gepökelter Form. Den reichhaltigen Genuss großer Gutsherren, wie sie beispielsweise in Bayern und im Salzburger Flachland zu finden waren, kannte man in Tirol nicht. Hier gab es weder ebene Felder noch nährstoffreiche Böden, auf denen man anbauen konnte, was immer man benötigte. Jedes Stück Land musste dem Berg mühevoll abgerungen werden. Durch angepasste Techniken wurden es kultiviert und gepflegt. So entstand über Jahrhunderte die Kulturlandschaft, wie wir sie heute kennen.

Regionale Kompetenz Qualität statt Masse © Kurt Tropper© Tropper Kurt

Regionale Kompetenz – Qualität statt Masse

Viele Jahrzehnte sind seit dieser Zeit vergangen, aber auch heute noch haben es die Tiroler Bauern nicht leicht. Ein Mithalten mit Massenprodukten und Preisdumping der Konkurrenz auf den Europäischen Märkten ist nicht möglich. Zahlreiche Versuche, auch durch Steuergelder subventioniert, brachten nur mäßigen Erfolg. Eine falsche Entwicklung der Landwirtschaft durch nicht auf die Region abgestimmte Anbau- und Zuchtmethoden war die Folge. Um nachhaltig etwas zu verändern musste eine neue Lösung gefunden werden: Ein Besinnen auf regionale Kompetenzen, Qualität und ein gemeinsames Miteinander von Landwirtschaft und dem größten Steckenpferd Tirols, dem Tourismus.

Was heute so logisch klingt, war vor zehn Jahren eine komplett neue Entwicklung. Der internationale Trend für regionale, saisonale und nachhaltige Lebensmittel war 2008 bereits deutlich in den Metropolen Europas spürbar und erreichte den Endkonsumenten vorwiegend über kleine Läden und Bauernmärkte. An Tirols Tourismus schien der neue Zeitgeist jedoch spurlos vorüberzugehen. Eine Handvoll innovativer Wirte aus dem Brixental, von der Idee überzeugt regionale Qualitätsprodukte aus der heimischen Landwirtschaft in die Gastronomie und somit direkt auf die Speisekarte und auf den Tisch zu bringen, erkannten das Potential der Region: Tirol ist kein Massenproduktsland. Vor allem die sanften Hügel der Kitzbüheler Alpen aber sind es, die hervorragende Möglichkeiten für höchstmögliche Qualität schaffen. Qualität statt Masse! Individuelles statt Konventionelles! In Zusammenarbeit mit den Bauern aus der unmittelbaren Umgebung wurde ein neuer Weg beschritten. Alte Nutztierrassen, Gemüsesorten, die den klimatischen Bedingungen angepasst sind und ohne Spritzmittel von fragwürdigen Monopolisten auskommen, wurden wieder eingeführt. Fast vergessenes Wissen aufgefrischt und alte Techniken neu erlernt. Ideen aus ähnlichen Regionen abgeleitet und auf das Brixental angepasst. Damals glaubten nur wenige Außenstehende an den Erfolg des Konzepts. Heute ist die KochArt eine Institution und selbst ein Vorzeigeprojekt in Sachen regionaler Zusammenarbeit zwischen Gastronomie, Landwirtschaft und Tourismus.

Berghendln von einem Bauernhof hoch über der Kelchsau © Kurt Tropper
© Tropper Kurt
Almschwein, Berghendl und Co © Kurt Tropper
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Zusammenarbeit mit den Bauern aus der Umgebung © Kurt Tropper
© Tropper Kurt

Almschwein, Berghendl & Co

Dass ein solidarisches Miteinander für alle eine Bereicherung ist, zeigt der Erfolg. Mittlerweile machen sich 23 Wirte aus der Region Kitzbüheler Alpen gemeinsam für Regionalität und Nachhaltigkeit in der Gastronomie stark. Laufend kommen Landwirte hinzu – und mit ihnen neue Produkte. Mit dem Almschwein wurde 2009 im Brixental eine alte Tradition wieder neu belebt. Seit jeher wurde auf den hochgelegenen Feldern – den Almen – Milch zu Käse verarbeitet und die überbleibende Molke an die Schweine verfüttert. Dass die Qualität dieser Schweine, die ihr ganzes Leben lang an der frischen Luft mit natürlichem Futter und der gesunden Molke aufwachsen, eine höchstmögliche ist, versteht sich von selbst. Berghendln von einem Bauernhof hoch über der Kelchsau und die echte Tiroler Bachforelle, die im Gegensatz zu ihrer aus Amerika stammenden Verwandten, der Regenbogenforelle, tatsächlich in Tirol heimisch ist, sind nur wenige Beispiele der regionalen gastronomischen Bewegung.

Letztlich ist es aber das Bewusstsein der Konsumenten, das es gilt zu schärfen und zu stärken. Wir alle sind es, die dazu beitragen können unsere Welt zu verändern. Gemeinsam für eine wertschöpfende und wertschätzende Zukunft!

Katie Tropper

Katie Tropper

Zuhören. Spüren.
Das große Ganze sehen.
Eine Welt sichtbar machen.
Für und mit Menschen aus der Region.

www.katietropper.com
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