Seilbahner verbinden Fieberbrunn mit Skicircus
Neu war die Idee nicht, im Gegenteil!
Schon vor zirka dreißig Jahren meinten der Fieberbrunner Simon Trixl und ein paar seiner Kollegen, es wäre eine gute Sache, das Schigebiet Fieberbrunn mit jenem von Saalbach Hinterglemm zu verbinden. Am 19. Dezember 2015 war es dann endlich soweit: Der erweiterte Skicircus Saalbach Hinterglemm mit Leogang und Fieberbrunn wurde offiziell eröffnet – mit einem „Big White Bang“.
„Und an Tåg drauf håt’s uns die Piste Reckmoos Süd ausg’apert“, sagt Toni Niederwieser, einer der beiden Geschäftsführer der Bergbahn Fieberbrunn. Auf den Festakt folgte Ernüchterung. Nur ein Beispiel für die wechselhafte Geschichte des Projektes, das Toni und seinem Partner Martin Trixl wohl einige graue Haare bescherte.
Wir sitzen im Büro der beiden, Toni und Martin grinsen breit. Nach einem schwierigen Saisonstart läuft jetzt alles nach Plan. Aber davor gab es unzählige Stolpersteine und Hindernisse zu überwinden. Schon Ende der Achtzigerjahre war das Projekt ja fix und fertig in der Schublade gelegen, es hatte 2 Millionen Schilling Planungskosten verschlungen. Und dann kam die Nachdenkpause der Landesregierung. Da konnten die Fieberbrunner darüber denken wie sie wollten.
Sie handelten und sanierten das Schigebiet von Grund auf. 2008 übernahmen Toni und Martin das Zepter als neue Geschäftsführer der Fieberbrunner Bergbahn. Etwas vom ersten, was sie in die Hand nahmen, war das Telefon – um die Glemmtaler anzurufen und über den Zusammenschluss zu sprechen. Es gab Bedenken, doch die relativierten sich im Laufe der Zeit.
Im August 2013 trafen sich die Vertreter Fieberbrunns mit ihren Salzburger Kollegen am Reiterkogel zur Besichtigung vor Ort, in der „Eisernen Hand“ aß man zu Mittag, und gleich darauf wurde aus dem Stehgreif eine Sitzung einberufen. Die Glemmtaler hatten eine Liste mit 10 Punkten dabei, die sie erfüllt haben wollten. „Då wår nix Unverschämtes dabei“, stellt Toni klar.
Einer davon war natürlich, dass Fieberbrunn zu 100% Teil der Marke Skicircus wird. Das Logo der Bergbahn Fieberbrunn, nach fast 60 Jahren ist es nun verschwunden. Tut das der Bergbahner-Seele nicht weh? Toni nimmt es pragmatisch: „Was nutzt dir die eigene Marke und die Kassa is leer? Då is mir schon lieber, mia håb’n a gemeinsame Marke und de Kassa is voll.“
Auf jeden Fall wurde das Projekt im Herbst 2013 angegangen. Die Aussichten waren verlockend: „Da unten im Glemmtal sind 20.000 Gästebetten. Mia docken an a Kleinstadt voller Skifahrer an, die ålle an Skipass håb’n und – wenn ma guat sind – schauen wollen, wås die Fieberbrunner zu bieten håb’n“, dachten Toni und Martin. Für so ein Projekt gibt man schon einmal sein (wenn auch nicht letztes) Hemd:
Toni hatte öfter in Wien zu tun, unter anderem einmal einen Termin zuerst im Ministerium, dann in der Bank. Den Weg zwischen den beiden Terminen legte er an jenem heißen Sommertag zu Fuß zurück – in Anzug und Krawatte versteht sich, man will ja einen guten Eindruck hinterlassen. Bald jedoch war Tonis Hemd so verschwitzt, dass die Sache mit dem guten Eindruck ordentlich wackelte. Was tun? Toni zog es aus und lief „oben ohne“ durch die Straßen, erstaunte und teils erboste Blicke ignorierend. In der Nähe der Bank suchte er sich dann „a zugiges Platzl“, er ließ sich trocknen und muss dann wirklich sehr seriös – und taufrisch – gewirkt haben. Zumindest klappte das mit der Finanzierung.
Die neue Gondelbahn TirolS verbindet das Skigebiet Fieberbrunn mit dem Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn
1000 Dinge und mehr
Der Bau der TirolS, der Verbindungsbahn, war schwierig und anspruchsvoll. Eine Herausforderung waren aber auch das Marketing, das Planen der Eröffnung, die unzählige Sitzungen zu Tarifen, Ticketsystemen, Einkleidung, Beschilderungen sowie die Mitarbeitereinschulung – allen zu „verklickern“, dass Fieberbrunn nun eines der weltgrößten Schigebiete ist. Das müssen alle erst mal verinnerlichen. Unzählige Entscheidungen hatten Toni und Martin zu treffen, und die kosteten immer auch Geld. „Des geht nur mit a guaten Månnschaft, an super Team, bei dem ålle am gleichen Strång ziehen.“ An jedem zweiten Tag war „Alarm“, stand irgendein kleines oder größeres Problem an. „Owa des vagisst Gott sei Dånk wieder,“ sagt Martin und lacht.
Im November letzten Jahres ging Martin mit den Fellen hinauf auf den Reiterkogel, „alles wår eingeschnieben, der Lift is gånga, alles wår herg’richt und håt funktioniert, es is super zum Fahren gånga, und då schreist schon a paar Mal vor Freud’.“
Toni malte sich, wenn er von Wien nach Hause fuhr, in den schönsten Farben aus, wie es wohl sein würde, die Eröffnung zu feiern. Und wie war es dann wirklich? Eine tolle Party. Aber: „Es ist dånn eben so wie am Berg, wenn ma die Schlüsselstellen gemeistert hat und die letzten 10 Meter in Angriff nimmt.“ Bei der Eröffnung wussten die beiden schon längst, dass alles läuft. Aber ob sich das Projekt nun auch rechnen würde, das wussten sie nicht.
Denn wie gesagt: Am Tag nach dem „Big White Bang“ wieder Sonne und Wärme, weit und breit kein Schnee in Sicht. „Du schaugst beim Fenster aussi und denkst da: Schneibt’s nu immer nit? Då wirst schon munter in der Nacht,“ gibt Martin zu. Und Toni saß unterm Christbaum und dachte: „Wia måch’ ma jetzt unser’n Umsatz, auf dem die gånze Rechnung basiert?“ „Ja“, sagt er, „då frågst dich schon, ob du an Denkfehler håst, weil då die Leute hinüber gefahren sind und nit herüber.“
Doch die Situation drehte sich, sobald im Jänner Frau Holle endlich ihren Dienst tat. Bis Ostern verbuchte Fieberbrunn eine tolle Saison. Wenn das Wetter nicht mitspielt, „kriagst nit Angst – weil so schnöi krieg’n wir nit Angst – aber Bauchweh kriagst scho, und schwitzen fångst auch an,“ sagt Toni. „A Zitterpartie wår’s a diam scho,“ gesteht Martin. „Aber vielleicht is des im Leben nit des Unspannendste, wennst es nit oiwei genau woasst wias ausgeht.“ Er zieht einen Vergleich mit seinen Bergtouren, bei denen er nicht immer wusste, ob er gesund nach Hause kommen würde. Die schwierigsten Situationen, wenn sie gemeistert sind, sind die schönsten. Was ganz leicht geht ist wenig wert. „Du muasst die Herausforderung annehmen“ sagt auch Toni.
Zwei Skifahrer blicken ins Tal - Skifahren in Österreichs lässigstem Skigebiet Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn
Alles läuft wie es soll
Im Winter 2015/16 verzeichnete Fieberbrunn ein Nächtigungsplus von 18%, obwohl kein einziges Bett dazugekommen war. Weil der Ort statt der bisherigen 40 Pistenkilometer nun ganze 270 bieten kann, und das zählt mehr als alles andere bei den Schitouristen.
Der Zusammenschluss funktioniert und bringt viele Vorteile. Selbst die Skeptiker sind inzwischen überzeugt. Und einige Betriebe investieren schon kräftig. Genau so, wie es sich Toni und Martin gewünscht haben.
Die Bergbahn schaut drauf, dass Schifahren für die Einheimischen weiterhin so günstig wie möglich bleibt, das ist beiden sehr wichtig. Es soll ja nicht so sein wie früher. Als Toni und Martin noch kleine Pistenstürmer waren, wurden sie am Wochenende, wenn viel los war, einfach rausgeholt. „Då wår unser Karte plötzlich nimmer gültig“, erinnern sie sich lachend. Nein, die Einheimischen sollen Schifahren gehen können, vor allem die Kinder. Auch nach dem Zusammenschluss.
Fieberbrunn ist jetzt zukunftstauglich. Im Winter – und im Sommer: „Timoks Alm“ mit Coaster, Abenteuerpfad, dem weltgrößten Niederseilgarten, das Wildseeloderhaus, die großartigen Klettersteige, … das alles holt Gäste auch in der warmen Jahreszeit nach Fieberbrunn. So kann die Bergbahn auch im Sommer 45 Mitarbeiter beschäftigen, im Winter sind es über 110. 25 neue Arbeitsplätze schuf übrigens der Zusammenschluss.
„So a Projekt, des passiert dir nua oamoi im Berufsleben,“ sinniert Toni. „Des is a Glück, wenn des in an Zeitfenster passiert, wo ma gråd vorn dru is. Owa z’åmmbringen muass mas a“.
Martin sieht es so: „Wennst schaust, wås ma für an Ort nachhaltig toa ku, dann kimmst bei uns automatisch auf den Tourismus. Weil einfach so viele Betriebe dran hängen.“
Für den Ort etwas zu tun, seine Entwicklung zu fördern, das ist den beiden eingefleischten Fieberbrunnern ein echtes Anliegen. Sie sind eng mit ihrem Heimatort verbunden, beide sind viel in der Natur unterwegs. Eine Grundvoraussetzung für Seilbahner um die komplexen Zusammenhänge im Umgang mit der touristischen Entwicklung in unseren Bergen zu verstehen.
A Beschäftigung muss sein
Tonis Vater war übrigens einer der ersten Schilehrer in Fieberbrunn. Er selbst besuchte die Handelsschule in Kitzbühel, die man damals als Privatschule noch selbst zu finanzieren hatte. Er verdiente sich die Ausbildung als Kellner am Loder, als Goasshüter und Krickl-Verkäufer. Gleich nach der Schule kam der heute 58jährige zur Bergbahn, wo er alle Stationen durchlief, bevor er Geschäftsführer wurde. Aber er reiste auch viel in seiner Jugendzeit, verbrachte Monate in Australien, wohnte bei den Aborigines, begann zu Fotografiern. Ein Hobby, das er immer noch mit Leidenschaft pflegt. Seine Bilder sind fantastisch. „Dånn håb i a nette Fieberbrunnerin kenneng’lernt“, meint er schelmisch. Seine Ines. Die letzten 5 Jahre war Toni auch Aufsichtsratsvorsitzender beim TVB, fad ist ihm nie. Und daheim herumsitzen sieht man ihn auch äußerst selten. Seine drei Kinder (17, 16 und 10 Jahre alt) und Ines lassen ihm den Freiraum, den er braucht, um glücklich zu sein. Umgekehrt lässt er auch seine Familie gewähren, besonders Ines: „Sie musiziert. Und da muass hålt a viel üben, ...“ meint er augenzwinkernd.
Ja, die Eröffnungsparty, die war schon ein echter Höhepunkt in seinem Leben. Gastgeber bei einem historischen Fest zu sein, das tat gut. Und danach, als man wusste, dass die Zahlen passen und die Situation richtig eingeschätzt war: Das tat auch gut, da konnte sich Toni auch mal zurücklehnen und entspannen und sich über das Geschaffte freuen. Und wie geht es weiter? „Qualitätsverbesserung“, kommt es unvermittelt. Alles schon geplant. Pension? Kein Gedanke. „Mei Ziel für mi persönlich is, dass i zufrieden bin. Und dazua brauch i Beschäftigung in irgendeiner Form. Im Moment passt’s, wia’s is.“
Auf den Spuren des Vaters
Tonis Kollege Martin, Jahrgang 1963, wuchs in einer Tischler-Familie auf, das Unternehmen gibt es seit 124 Jahren, Martins Mutter war einst die jüngste Tischlermeisterin Österreichs. Immer schon war er mit den Eltern beim Schifahren und Bergsteigen unterwegs. Martins drei Brüder wurden alle Tischler, nur er besuchte die HTL für Hochbau in Saalfelden und stieg dann daheim ein. Die Eltern gewährten ihm viel Auszeit für seine Bergtouren, bei denen er weit herum kam. Und aus denen er viel fürs Leben mitnahm. Auch er heiratete eine Fieberbrunnerin, Anna-Judith, die übrigens auch eine sehr gute Skifahrerin und Bergsteigerin ist. Die beiden bekamen zwei Mädchen. Magdalena und Johanna haben beide bereits die Tischler-HTL in Imst besucht, obwohl ihnen auch alle anderen Ausbildungswege offen standen. Die 5. Generation Tischler ist also fest verankert im Beruf.
Schon früh war Martin mit Vater Simon unterwegs, in jungen Jahren wurde er bereits zur Lawinenkommission einberufen. Damit war der Bezug zur Bergbahn hergestellt. Der Vater war Geschäftsführer, Tonis Chef, und Martin wurde 2008 Tonis Partner. Er ist eher für den Außenbereich zuständig, während Toni mehr den Innendienst übernimmt. Martin ist auch einer der größten Gesellschafter der Bergbahn, „des motiviert mi, dass a bissl wås von dem Betrieb mia gehört“. Sein Ziel ist es, die Bergbahn auf so gesunde Füße zu stellen, dass sie auch einen schlechteren Winter einmal gut wegsteckt. Auch seine Kinder sollen einmal in Fieberbrunn arbeiten können, gesunde Strukturen im Ort vorfinden. Dafür arbeitet auch er, gemeinsam mit Toni.
A propos gemeinsam: Zu seinem Kollegen hat er ein gutes Verhältnis. Aber bei dem Mega-Projekt sind die beiden sich doch bestimmt auch ab und zu in die Haare geraten? „Gar nit“, sagt Martin. Natürlich sind beide nicht immer einer Meinung, dann wird das ausdiskutiert. Intern, bei geschlossener Bürotür. „Wenn mia nit halbwegs harmonieren, dånn håmma går koa Chance“, sagt Martin. Toni bläst ins selbe Horn: „Wenn då nit a einheitliche Meldung aussi geht aus der Leitung, wia soll des gehen?“ „In den wesentlichen Punkten håb’n ma die gleichen Werte, mia sand ähnliche Typen“, sagt Toni. „Ausser, dass da Martin koan Kaffee måg.“ „Na, an Kaffee måg i scho,“ wehrt sich Martin vehement, „i trink går nit so wenig Kaffee!“ Toni schaut Martin erstaunt an. „Ah so, dann wår des dei Vater,“ meint er achselzuckend. Spätestens, wenn die Meldung nach außen geht, sind sie sich einig, wer Kaffee trinkt und wer nicht … Wie sollte sonst auch in Zukunft noch etwas weitergehen bei den Bergbahnen Fieberbrunn?
TEXT: Doris Martinz / FOTOS: Toni Niederwieser, privat
ERSCHEINUNGSDATUM: November 2016
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