Das bunte Leben von Sophie

Geschichte lebt durch Menschen und Erinnerungen – und der Heimatverein Pillersee bewahrt dieses Erbe mit Herzblut. Seit 25 Jahren hält das Team rund um Obmann Wolfgang Schwaiger die Vergangenheit der Region lebendig. Die Ausstellung zur 150-jährigen Giselabahn im Jahr 2025 bildet einen bedeutenden Höhepunkt.
Geschichte ist überall. Man muss sie nur wahrnehmen. Dass die bewegte Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät, hat sich der Heimatverein Pillersee zur Aufgabe gemacht. Im kleinen Haus unterhalb der Fieberbrunner Kirche befinden sich Büro, Archiv und ein kleiner Ausstellungsraum der Heimatforscher. Obmann Wolfgang Schwaiger und vor allem Archivar Hans Bachler verbringen hier viel Zeit mit Sortieren und Aufarbeiten. Über 25.000 Fotos befinden sich im Fundus. Dazu kommen tausende Dokumente, Bücher, Plakate, Landkarten sowie Ton- und Videoaufnahmen aus den verschiedensten Epochen. Heute ist alles digitalisiert. „Wir haben eine Bildsammlung der Andenken ab 1854, ab den 1950er Jahren ist sie sogar lückenlos“, erzählt Obmann Wolfgang Schwaiger. Das hilft vielen bei der Ahnenforschung. Der Heimatverein bekommt Anfragen aus ganz Österreich.
In den Aktenschränken voller Ordner, alle säuberlich beschriftet, lagern diverse Nachlässe von Privatpersonen, die dem Heimatverein anvertraut wurden. Manche bergen ungeahnte Überraschungen: So hat Leopold Mellitzer, ehemaliger Postmeister, Kunstsammler und kritische Persönlichkeit, Briefe des bekannten Kitzbüheler Malers Alfons Walde hinterlassen. „Die sind aber alle nicht jugendfrei“, lacht Schwaiger und legt sie zurück in den Ordner. Ein weiterer Raum beherbergt wertvolle Exponate, die zum Teil an andere Museen ausgeliehen werden. Das erste Bild von Fieberbrunn aus dem Jahr 1655, gemalt von Benediktinerpater Thomas Stifler, fällt sofort ins Auge.
Ansichtskarten vom Dorfzentrum von Hochfilzen um 1920. Über 25.000 Fotos befinden sich im Fundus des Heimatvereins Pillersee.
Wie kommt der Heimatverein zu solchen Schätzen? „Das ist sehr unterschiedlich“, erklärt Schwaiger, „wir kaufen gezielt Exponate an, oft bekommen wir etwas geschenkt oder wir vermuten, dass es im Nachlass Interessantes gibt und fragen direkt nach. Die Angehörigen wissen oft nicht wohin damit und sind froh, dass wir die Dinge sorgfältig aufbereiten und für die Nachwelt erhalten“. Getreu der Vereinssatzung: Das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken, Kulturgüter erhalten und das Bewusstsein für die regionale Geschichte lebendig halten.
Erstes bekanntes Bild von Fieberbrunn: Gemälde von Pater Thomas Stifler aus dem Jahr 1655 zeigt den Pfarrhof und die Kirche inmitten der historischen Kulturlandschaft.
„Wir erzählen Geschichte anhand von Geschichten.“
Bei einem Ausflug nach Bad Reichenhall und der Entdeckung einer historischen Darstellung der Innenstadt mit dem Hinweis „Heimatverein“ kam Schwaiger die Idee, eine solche Initiative im Pillerseetal zu starten. Weitere begeisterte Mitstreiter waren schnell gefunden. Nach knapp einjähriger Vorbereitungszeit wurde 1999 in der Knappenstube unter dem damaligen Obmann Erich Rettenwander der Heimatverein Pillersee aus der Taufe gehoben. Zählte der Verein zu Beginn rund ein Dutzend Mitglieder, so sind es heute über 250, die sich für die Vergangenheit begeistern. Der Name und Wirkungskreis des Heimatvereins leitet sich von der alten Hofmark Pillersee aus dem Jahr 1151 ab, die aus St. Jakob in Haus, St. Ulrich am Pillersee, Fieberbrunn und Hochfilzen bestand. Diese Ländereien gehörten damals dem Pfalzgrafen von Rott und wurden dem von ihm gegründeten Benediktinerkloster Rott am Inn sozusagen als Starthilfe geschenkt. Er wollte sich damit wohl einen „Platz im Himmel“ sichern.
Ein Herzstück des Vereins ist das eigene Magazin „Kammbergschriften“, das zweimal jährlich erscheint. Kammberg ist der alte Name der Buchensteinwand. „Was unsere Kammbergschriften so beliebt macht, ist, dass sie meist keine wissenschaftlichen Abhandlungen sind. Wir erzählen Geschichte anhand von Geschichten“, erklärt Obmann Schwaiger. Im Bereich des Denkmalschutzes ist der Verein sehr aktiv. In Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt wurden in den letzten 25 Jahren mehr als zehn umfangreiche Projekte realisiert, wie die Restaurierung der „Türkensäule“ in Rosenegg oder die Rettung der historischen Knappenfahne aus der alten Gebrakapelle.
Der Heimatverein Pillersee hat die jahrhundertealte Prozession zur Kirche St. Adolari wieder zum Leben erweckt.
Bis in die 1950er Jahre war der Flachsanbau ein wichtiger Wirtschaftszweig im Pillerseetal. Eine besonders spannende Initiative des Heimatvereins war es, dieses alte Handwerk wieder aufleben zu lassen. Flachsfasern sind die Grundlage für die Herstellung von Leinen, während die Samen unter anderem für die Produktion von Leinöl verwendet werden. Mit Hilfe eines ansässigen Bauern wurde der gesamte Prozess - vom Anbau des Flachses bis zur Verarbeitung - umgesetzt und filmisch dokumentiert. Das Projekt zeigt anschaulich, wie durch das Zusammenwirken vieler Hände ein authentisches Stück Heimatgeschichte bewahrt werden kann. „Der Wissensdurst nach Geschichte in der Region ist groß. Was wir machen, findet man nicht im Internet“, veranschaulicht Wolfgang Schwaiger. In den vergangenen 25 Jahren hat der Heimatverein zahlreiche Ausstellungen, Projekte und Veranstaltungen auf die Beine gestellt, um Geschichte erlebbar zu machen. Nun realisieren die Mitglieder ihr bisher größtes Projekt seit Vereinsbestehen. Sie erzählen die Geschichten hinter dem Bauvorhaben, das vor 150 Jahren eine neue Ära im PillerseeTal einläutete: die Giselabahn.
Im Pillerseetal wurde bis in die 1950er Jahre Flachs
angebaut und zu Leinen verarbeitet. Der Heimatverein
Pillersee hat den Anbau und die Produktion rekonstruiert.
Seit 150 Jahren verbindet die traditionsreiche Giselabahn Orte, Menschen und Kulturen. Die österreichische Ost-West-Verbindung prägt die Entwicklung der Region bis heute. Grund genug für den Heimatverein Pillersee, diesem ehrgeizigen Verkehrsprojekt der Kaiserzeit seine bisher größte Ausstellung zu widmen. Am höchsten Punkt der Bahn, in Hochfilzen, verwandelt sich das Kulturhaus im Sommer 2025 in eine riesige Ausstellungsfläche. Neben zahlreichen Originalexponaten und Zeitzeugenberichten präsentiert der Modelleisenbahnclub eine große Anlage – unter anderem mit dem ehemaligen Verschub beim Bahnhof Fieberbrunn, originalgetreu und im Miniaturformat.
"Es gibt wunderbare Anekdoten von hunderten Menschen, die am Bau der Giselabahn mitgewirkt haben.“
Wolfgang Schwaiger, Obmann Heimatverein Pillersee
Die Bauarbeiten begannen 1873 und waren eine Mammutaufgabe: Die Ingenieure hatten mit den schwierigen alpinen Verhältnissen zu kämpfen. Im beschaulichen Hochfilzen mit seinen 300 Einwohnern waren 800 Arbeiter aus allen Ländern der Monarchie stationiert. Überliefert ist ein Brief des Hochfilzener Pfarrers, der sich über die mangelnde Moral der Gastarbeiter beklagte. Mit großem Einsatz und damals modernster Technik konnte die Bahn in Rekordzeit 1875 eröffnet werden. Einer der ersten prominenten Fahrgäste war Kaiser Wilhelm, allerdings inkognito und noch vor der offiziellen Eröffnung. Der Sarg von Kaiserin Sissi wurde über das Pillerseetal mit Halt in Fieberbrunn transportiert. Warum die Giselabahn offiziell gar nicht so heißt – das und vieles mehr erfährt man in der Ausstellung.
Der Bau der Giselabahn war ein gigantisches Projekt. Arbeiter aus aller Herren Länder waren in Hochfilzen und Fieberbrunn stationiert. 1910 wurde das zweite Gleis gebaut.
Tipp: Ausstellung „150 Jahre Giselabahn“ in Hochfilzen
Der Heimatverein Pillersee lädt von 26. Juni bis 17. August 2025 zur großen Sonderausstellung ins Kulturhaus Hochfilzen. Am höchsten Punkt der historischen Bahnlinie erwartet Besucher eine eindrucksvoll gestaltete Schau mit historischen Objekten, Infotafeln, seltenen Sammlerstücken und einer aufwändig gebauten Modelleisenbahn mit regionalen Nachbauten. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie stark die Eisenbahn das Leben, die Wirtschaft und den Tourismus der Region geprägt hat. Geöffnet ist die Ausstellung jeweils Donnerstag bis Sonntag von 15 bis 19 Uhr, der Eintritt ist frei. Für Führungen oder Fragen steht Kurator Dr. Sebastian Eder gerne unter s.eder@ktvpillersee.at zur Verfügung. Ein Besuch lohnt sich.
Als langjährige Journalistin einer regionalen Wochenzeitung liebe ich es, gute Geschichten zu erzählen. Am liebsten schreibe ich über Dinge, die mir selbst Freude bereiten - wie über die Menschen und Ereignisse im schönen PillerseeTal. Als Tirolerin bin ich sehr naturverbunden, reise jedoch auch gerne in der Welt herum. Fest steht für mich eines: Es gibt keinen „bärigeren“ Ort als Tirol. Mehr Details